Der Tod in Varanasi
Der Tod in Varanasi

Der Tod in Varanasi

Die heilige Stadt am Ganges ist geprägt von Tod und Leben gleichermaßen. Wer etwas über Wandel und Ewigkeit lernen möchte, wird dazu keinen besseren Ort als Varanasi dazu finden.

Stadt der Propheten und Asketen

Varanasi ist viel älter als sein Name: Zu Zeiten des Buddha hieß die heutige Millionenstadt am Ganges noch Kachi. Später wurde Baranasi daraus, unter den Briten dann Benares bzw. Banares. In neuerer Zeit wird die Stadt Varanasi genannt. Sie ist eine der ältesten der Welt. Die Gründer des Buddhismus, Jainismus und Sikhismus predigten hier, ebenso wie die wichtigsten hinduistischen Persönlichkeiten der letzten zwei Jahrtausende. All die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Mark Twain sagte zu Varanasi: Die Stadt ist „älter als Geschichte, älter als Tradition, älter sogar als Legende – und sieht doppelt so alt aus wie all diese Dinge zusammengenommen“.

Ungefähr zehn Kilometer außerhalb von Varanasi liegt Sarnath, eine der wichtigsten Pilgerstätten des Buddhismus. Siddartha Gautama, der nach seiner Erleuchtung der Buddha (der „Erwachte“) genannt wurde, hielt hier seine erste Predigt ab. Er erzählte vom Leid, der Entstehung des Leides und dem Weg zum Ende des Leides (Nirvana). Heute kommen Buddhisten aus der ganzen Welt, um dort zu meditieren, wo einst der Buddha saß. Die Dhamek Stupa stammt aus dem fünften Jahrhundert. Zu den neueren Tempelanlagen gehören die der tibetischen und sri-lankischen Gemeinschaft.

Die Ghats – Religion und Tod

Die Ghats von Varanasi sind das Wahrzeichen, die Identität der Stadt. Ghats werden in Indien Treppen oder Stufen genannt, die zu einer Wasserstelle führen – in diesem Falle zum Ganges. Der Fluss ist der heiligste Indiens und wird als Ma Ganga, als Mutter Ganges, verehrt. Jeden Abend wird an den Ghats die Aarti abgehalten. Diese hinduistische Zeremonie ist Jahrhunderte alt. Priester rezitieren Mantras und bieten das Licht einer Kerze den Gottheiten dar. Die Aarti wird von tausenden Einheimischen und Touristen besucht. Viele beobachten sie vom Fluss aus: für wenig Geld lassen sich alte, hölzerne Ruderboote (inklusive Ruderer) mieten.

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Wer auf einem Boot den Ganges hinuntergleitet, wird an seinen Ufern dicke Rauchwolken emporsteigen sehen. In Varanasi werden menschliche Leichen verbrannt: seit Jahrtausenden, rund um die Uhr und für alle sichtbar. Hindus glauben, dass wer in Varanasi stirbt, dem Kreislauf der Wiedergeburten entkommt. Deshalb kommen Alte und Kranke aus ganz Indien, um ihre letzten Tage in der heiligsten aller Städte zu verbringen – und um dort zu sterben. Es gibt zwei Kremationsghats in Varanasi: auf dem Manikarnika Ghat und dem Harishchandra Ghat werden jährlich bis zu 30.000 Menschen eingeäschert. Dies erfolgt in aller Öffentlichkeit. Dass neben den Trauernden, ja neben den brennenden Körpern selbst z. B. Kinder spielen oder Straßenhunde kauern ist normal. Ein weiterer Name der Stadt lautet übrigens Mahashamshana – „der große Feuerbestattungsplatz“.

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Das Leben in Varanasi

Hinter den Ghats erstreckt sich ein Labyrinth an engen Gassen. Hier spielt sich das alltägliche Leben Varanasis ab: Händler verkaufen religiöse Bilder und Statuen, die zentralen Schriften des Hinduismus, außerdem alles von Kochtöpfen bis Mangos. Die Stadt ist bekannt für seine seidenen Saris, die seit Jahrhnuderten auf traditioneller Weise per Hand gewoben werden.

An jeder Straßenecke und zu jeder Zeit ist leckeres und billiges Streetfood erhältlich. Zu den Spezialitäten Varanasis gehören Malaiyyo (ein milchiges Dessert) und Laaiya Chana (Kichererbsen mit Gemüse). Wie in allen heiligen Städten Indiens, die mit Gott Shiva assoziiert sind, ist auch in Varanasi der Bhang Lassi legal und überall erhältlich. Dieses Cannabisgetränk wird von Gläubigen als Form eines Rituals getrunken. Shiva, dem Zerstörer des Universums, wird eine große Vorliebe zum Cannabis zugeschrieben.

In den neueren Teilen der Millionenstadt sind enorme Einkaufszentren, trendige Cafés und hochklassige Hotels zu finden. Die Moderne hat Einzug gehalten – doch Varanasi hat seine Identität behalten.

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Weitere Sehenswürdigkeiten in Varanasi

Der Kashi Vishwanath Mandir ist einer der wichtigsten Tempel in ganz Indien. Er befindet sich nur einige hundert Meter vom Flussufer entfernt und wurde im Jährlich kommen unzählige Hindus hierher, um zu beten. Der Tempel ist Shiva geweiht. In seinem Inneren wird jeden Tag der Lingam – ein phallisches Steinobjekt – mit Milch und Gangeswasser übergossen.

Zur Zeit der Moguln wurden zahlreiche Moscheen errichtet, deren Minarette noch heute das Stadtbild prägen.

Der Dashashwamedh Ghat ist einer der berühmtesten der Stad. Der Legende nach hat Brahma, der Schöpfergott des Hinduismus, dort einst 10 Pferde geopfert. Alltäglich findet hier die Aarti statt.

Assi Ghat ist der Name des südlichsten Ghats der Stadt. Dort befinden sich bei ausländischen Touristen sehr beliebte Restaurants und Cafès mit Gangesblick. Auch Hostels und billige Hotels sind am Assi Ghat zu finden.

Der rotgestrichene Durga Tempel ist über 200 Jahre alt. Im Inneren der Anlage befindet sich ein großer künstlicher See, der typisch ist für die nordindische Tempelarchitektur.

Schließlich ist noch die Banaras Hindu University zu erwähnen. Der Campus dieser Universität erstreckt sich über mehr als 5 km². Seine circa 30.000 Studenten machen die BHU zur größten Universität Südasiens.

Über den Ghats von Varanasi geht die Sonne auf. Seit Urzeiten brennt sie auf die Tempel und Menschen der heiligen Stadt nieder; seit ebenso langer Zeit fließt gemächlich der Ganges gen Osten. Die Jahrtausende haben viel Wandel gebracht, doch eines ist immer gleich geblieben: das Leben und der Tod in dieser ewigen Stadt, die wie an keinem anderen Ort so präsent, so miteinander vermischt sind.

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