Holi in Vrindavan – im Bann von Krishnas Flötenspiel
Holi in Vrindavan – im Bann von Krishnas Flötenspiel

Holi in Vrindavan – im Bann von Krishnas Flötenspiel

Das Holi-Festival in Vrindavan – mehr Chaos und Farbe, mehr Indien geht nicht! Das Fest der Farben wird nirgends so begeistert gefeiert wie in Vrindavan, der heiligen Stadt Krishnas. Letztes Jahr war ich mit zwei Freunden mittendrin im Farbenrausch.

Schon 2017, während meiner ersten Indienreise, wollte ich unbedingt Holi in Vrindavan verbringen. Schließlich bin ich aber nur wenige Tage vor dem großen Fest nach Deutschland zurückgekehrt. Im März 2020 sollte es dann aber klappen: Zusammen mit zwei Freunden – einer Inderin und einem Briten – kam ich einige Tage vor Holi in Vrindavan an.

Vrindavan ist der Ort, an dem der Hindugott Krishna seine Kindheit verbracht hat. Hier spielte er mit Kühen, verärgerte seine Mutter, wenn er nicht rechtzeitig nach Hause kam, und verführte hübsche Mädchen mit seinem Flötenspiel. Begrüßt man sich im restlichen Indien mit „Ram Ram“ (Ram ist einer der zentralen Gottheiten des Hinduismus), heißt es in Vrindavan: „Radhe Radhe“. Radha ist die Gefährtin und Geliebte von Krishna. In Vrindavan sagt man: „Nichts ist stärker als Krishna – außer die Liebe Krishnas für Radha“.

An den ruhigen, windstillen Nachmittagen, wenn die Straßen von Vrindavan leer sind und in der Hitze flimmern, meint man manchmal das Flötenspiel Krishnas zu hören.

holi in indien

Am Tag vor Holi werden in ganz Indien Feuer angezündet, ein bisschen so wie in Deutschland die Osterfeuer. An jeder Straßenecke brennen kleine Feuer, aufgeregte Kinder umkreisen es, alte Männer und Frauen blicken stumm in die Flammen. Das größte Feuer aber lodert mitten auf der Straße. Keine Absperrungen, keine Polizei oder Feuerwehr – nur die Flammen, die hell brennen in der warmen Nacht. Wir freuen und auf morgen.

Am nächsten Tag ist es dann soweit: Holi! Schon früh morgens werden wir von Hupen und Trommeln geweckt. Diese sind in Indien zwar an jedem Tag und zu jeder beliebigen Uhrzeit zu vernehmen, doch heute, zu Holi, sind sie besonders laut. Wir folgen dem Lärm und gelangen in die Altstadt. Am Ufer des Yamuna, dem zweitheiligsten Fluss Indiens, reihen sich alte Häuser an noch ältere Tempel. Doch die sonst sandsteinfarbenen Wände sind grün und gelb, rot und blau. Die ganze Stadt, ja ganz Indien wirft mit Farbpulver um sich. Man wünscht „Happy Holi“ und schmiert fremden Leuten Farbe ins Gesicht, Kinder tragen Farbschlachten aus, rosarote Kühe geraten ins Kreuzfeuer, Omas schauen amüsiert zu und Opas mischen ordentlich mit.

Schnell verstehen wir: wir brauchen Munition. Wir rüsten uns mit gelb, orange und pink aus, und bahnen uns unseren Weg zum Sri Radha Raman Tempel, einem der heiligsten der Stadt.

Später spazieren wir an den Ghats entlang. Ghat werden in Indien die Stufen genannt, die zu einem Fluss hinabführen. Mittlerweile habe ich meine Schuhe verloren, mein eigentlich weißes T-Shirt ist alles andere als weiß. Doch wir haben ungeheuren Spaß. Die ganze Stadt ist in Partylaune, und längst schon ist sie auf uns übergeschwappt. Man kommt mit allen möglichen Menschen ins Gespräch, man lacht und schließt sehr kurzlebige Freundschaften. Bei all dem Lachen, bei all der guten Laune versteht man des Sinn des Holi Festivals: den Sieg des Guten über das Böse.

Holi ohne Bhang, das wäre wie Weihnachtsfeiern ohne Alkohol – etwas langweilig. Bhang ist eine Cannabiszubereitung, die in vielen Gebieten Indiens legal, und fast überall erhältlich ist. Vor allem in den heiligen Städten wie Varanasi und Pushkar ist Bhang allgegenwärtig. Zu Holi wird im ganzen Land Bhang Lassi getrunken. Alt und jung, Sadhus und Studenten genießen den Cannabisdrink, den – so sagt die Legende – auch der Gott Shiva gerne konsumiert.

Wir möchten uns natürlich den Traditionen anpassen, und bestellen uns ebenfalls einen Bhang Lassi. Zwanzig Rupien kostet er, wird in einem Einweg-Tongefäß serviert, und schmeckt süß-säuerlich. Dann heißt es warten. Wir sitzen am Ufer des Yamuna, mehr betört durch den Lärm und die Sonne als durch das Bhang. Fast hätten wir den klassischen Anfängerfehler begangen und einen zweiten „Special Lassi” bestellt. Doch dann zeigen sich die ersten Wirkungen: Das Wasser des heiligen Flusses scheint wie Wachs zu schmelzen, die Trommeln, die irgendwo geschlagen werden, vereinen sich mit dem Rauschen des Windes und dem Klopfen des Herzens zu einer süß-verführerischen Melodie. Plötzlich ist alles unglaublich komisch: die Affen, die den reichen Touristen aus Delhi die Cola klauen, die Kühe, die das bunte Chaos ruhig und mit großen Augen beobachten.

Wir nehmen ein Tuk-Tuk zurück ins Hotel. Der Fahrer, der uns durch das Holi-verrückte Vrindavan lenlt, scheint selber etwas berauscht zu sein. Jedenfalls rast er rücksichtslos durch den Verkehr, flucht und hupt, lenkt mit einer und raucht mit der anderen Hand. Fast fahren wir eine Kuh oder einen alten Sadhu an. Die Tuk-Tuk-Odyssee fühlt sich an wie eine Achterbahnfahrt in Virtueller Realität: wir haben keine Kontrolle über das Fahrzeug, links und rechts rauschen Gefahren und komische Anblicke vorbei– und trotzdem lachen wir. Schließlich kommen wir aber im Hotel an, wo wir vergebens versuchen, die Farbe aus unseren Gesichtern und Kleidern zu waschen.

Später, als die Wirkung des Bhang bereits nachgelassen hat, stürzen wir uns wieder ins Chaos. Weil die Mittagshitze so drückend ist, sind die Straßen aber nicht mehr so überfüllt wie vorher. Rote und gelbe Kühe stehen in der pinken Straße, grüne Gesichter lachen uns an, buntbemalte Babas sitzen am Straßenrand und rauchen Zigaretten. Es ist eine postapokalyptische Partyszene.

holi in vrindavan

Doch auch die schönsten Feiern machen irgendwann Feierabend. Bevor der Tag aber zu Ende ist, besuchen wir noch den Prem Mandir – den Tempel der Liebe. Und wo würde ein Tempel mit einem solchen Namen besser hinpassen als nach Vrindavan, wo die Liebe Krishnas noch heute spürbar ist – vor allem an Holi.

prem mandir vrindavan

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